So nah können die Hölle auf Erden und das Paradies zusammenliegen. Aber von vorne…
Wie schon angedroht, klingelte der Wecker um 2:30 Uhr, aber durch die Aufregung konnten Axel und ich sowieso nicht so gut schlafen. Außerdem hat uns der pfeifende Wind und der starke Regen ebenfalls vom Schlafen abgehalten. Das einzige was uns die ganze Nacht durch den Kopf schoss war „Was das wohl wird… erste Nachtfahrt und dann so ein scheiß Wetter. “ Hätten wir zu diesem Zeit gewusst wie schlimm es wird, wären wir wohl nicht aufgestanden 🙂
Wir hatten uns ja bereits am Abend zuvor alles zurecht gelegt, so das wir wirklich nur in unser Ölzeug schlüpfen mussten und bereit zum Ablegen waren. Die Nacht war wirklich schaurig. Es war stockdunkel, es goss wie aus Kübeln und durch die geschlossene, dunkelgraue Wolkendecke gab es weder Sterne noch Mond. Das Ablegemanöver verlief aber reibungslos und fast schon automatisch. Ich war auf dem Vordeck und habe die Vorleine und Vorspring gelöst, Axel wurde ans Ruder gestellt und die anderen machten die Fänder und die Achterleine und Achterspring klar.
Während ich also auf dem Vordeck noch die Leinen klarierte, fuhren wir langsam auf die Hafenausfahrt zu. Zu diesem Zeitpunkt hatte ich mit mir und meinen Leinen so viel zu tun, dass ich mir nichts dabei dachte, als wir nicht Richtung Ausfahrt abbogen, sondern in Richung Fischereihafen weiter fuhren, der flacher war als der Sportboothafen. Irgendwie bin ich davon ausgegangen, dass unser Skipper einen großen Bogen raus aus dem Hafen fahren will. Plötzlich stand das Schiff mit einem Ruck und ich bin auf den Hosenboden gefallen. Kontne gerade noch so mich und die Leinen am Seezaun festhielt. Wir saßen also im Schlick fest… War doch nicht richtig, dass wir an der Ausfahrt vorbeigefahren sind. Insgeheim habe ich mich schon verflucht, dass ich nichts gesagt habe, als hinten auch schon das Gezeter losging. Der Rückfährtsgang wurde eingelegt und wir bewegten uns, Gott sei Dank, wieder zurück. War also außer Stolz nichts verletzt worden oder kaputt gegangen.
Was geschehen war? Wie gesagt, wurde Axel ans Ruder gestellt und der Skipper war mit den Worten „Fahr mal aus dem Hafen raus und dreh auf 330“ unter Deck verschwunden. Nachdem noch bei keiner der drei Kompassanzeigen Licht eingeschaltet war, hat Axel nach bestem Wissen auf die Ausfahrt zugehalten. Links voraus erschienen auch rotes und grünes Feuer, aber durch die pechschwarze Nacht und komplett fehlende Molenbeleuchtung sah es so aus, als wäre zwischen den Feuern noch eine raus gezogene Spundwand, um die man herumfahren musste. Also ist Axel langsam weitergefahren, in der Hoffnung, dass sich eine Lücke auftun würde. Was in der Nach so aussah, wie eine Kaimauer, konnten wir bis jetzt noch nicht klären. Nachdem wir also wieder frei waren (und mittlerweile auch die Kompassanzeigen zu sehen waren), war klar, wo wir lang mussten und konnten unseren Weg in die Nacht fortsetzen. Was für ein sch… Start in unsere erste Nachtfahrt!
Aus dem Hafen raus blies dann der Wind mit soviel Druck wie noch nie in diesem Urlaub. Es erinnerte uns extrem an die Tour vor vier Jahren auf der Hermes. Da es direkt vor dem Hafen eine sehr flache Stelle gibt, sind wir erst mal ein Stück mit dem Motor gefahren und haben die Richtfeuer im Auge behalten. Das sind im Fall von Ebeltoft zwei grüne Feuer, eins unten in der Stadt und eins etwas höher welche direkt übereinander liegen müssen, damit man sicher im Fahrwasser ist.
Als wir dann ein drei Farben Richtfeuer erreicht hatten, welches je nachdem wie man auf dieses zufährt (oder eben von wegfährt) grün, weiß oder rot ist, erreicht hatten haben wir die Segel gesetzt. Unser Skipper hatte uns zuvor verkündet, dass wir die Genua und das Groß im 2. Reff setzen. Bei diesem Gedanken ist uns schon etwas mulmig geworden, denn es waren mindestens 7 Windstärken und in den Böen entsprechend mehr. Als wir dann die auf ca. 1/3 gereffte Genua draußen hatten und schon mit 6 Knoten unterwegs waren, meinte unser Skipper dann doch dass das reicht und wir nicht mehr brauchten. Glück gehabt.
Neben dem vielen Wind hatten wir auch einiges an Welle die uns durch die Gegend schaukelten. Gerade beim wegfahren von dem drei Farben Richtfeuer hat man das gemerkt. Von unserem Navigator unter Deck, kam die Ansage das wir 180° fahren sollten, dass Richtfeuer zeigte aber rot, was hieß das wir weiter nach Backbord mussten. Erst bei einem Kurs von 120° kamen wir langsam in den weißen Bereich des Richtfeuers. 60° Abweichung zwischen gemessenem Kurs (GPS) und angelegtem Kurs (Kompassanzeige) ist irre viel und vermittelt vielleicht einen Eindruck, wie stark die Wellen waren, die uns so weit zur Sete warfen, dass wir mit den 60° dagegen halten mussten. Gemerkt hat man das auch, jedes Mal, wenn wir eine Wende gefahren sind und man durch das Jaulen des Windes und den Bewegungen des Bootes darauf schloss irre schnell unterwegs zu sein, doch wenn man auf die Logge schaute zeigte diese nur magere 1,2 Knoten über Grund an. Das heißt die Wellen haben uns knapp 4,5 Knoten „geklaut“.
Während wir also versuchten aus dem Ebeltoft Vig raus zu kommen, wurde mir durch die Welle und wohl auch der Dunkelheit geschuldet, so schlecht, dass ich mir das alles nochmal durch den Kopf gehen ließ und die Fische fütterte. Es wurde und wurde nicht mehr besser. Als dann langsam (ca. 1,5 h später) die Sonne aufging, nutze ich eine kurze „Wellen-Pause“ und verschwand schnell unter Decke ins Bett. Axel war mittlerweile auch durchgefrohren. Seekrank war er zwar noch nicht, es war ihm aber klar, dass nicht mehr viel fehlt. Da er aber gesehen hatte, wie schlecht es mir ging, hat er sich kurzerhand dazu entschlossen mit nach vorne in unsere Dreieckskabine zu kommen und nach mir zu sehen. Nach wenigen Minuten war es aber dann auch bei ihm vorbei. Schwindel, das massive Stampfen und Schaukeln des Schiffs und ein rebellierender Magen verbanden sich und führten zum ewohnten Wunsch nach einem schnellen Ableben 😉 Dort verbrachten wir dann den restlichen Törn (ganze 9 Stunden!), mit geschlossenen Augen (denn nur so kann man der Seekrankheit wirklich trotzen) und fragten uns die ganze Zeit, wie man sich so etwas antun kann und dann auch noch Geld dafür bezalt?!? Was stimmte denn mit uns nicht? Kurzfristig kamen auch Gedanken hoch, ob es vielleicht Zeit für ein anderes Hobby wird. Zum Glück konnten wir uns trotz geschlossenen Augen unterhalten. Ansonsten wären die 9 Stunden noch viel länger geworden, als sie so schon waren.
Nach einer geschätzten Ewigkeit wurde plötzlich der Motor angeschmissen und wir hatten schon die leise Hoffnung, dass wir bereits angekommen sind. Ein kurzer Blick auf die Uhr (es waren erst 5 Stunden vergangen) und Google Maps machte die Hoffnung schnell zu Nichte. Und so lagen wir nicht nur mit geschlossenen Augen in unserer immer stickiger werdenden Koje, sondern durften nun auch noch dem dröhnenden Motor lauschen. Zudem waren die Wellen natürlich immer noch da, jetzt gab es aber kein stabilisierendes Segel mehr und wir flogen in unserer Bugkabine umher, wie in der Achterbahn. Manchmal tauchte der Bug (und damit unser Bett) gut und gerne 2 Meter unter uns weg in die Tiefe und wir fielen hinterher. So müssen sich Parabelflüge anfühlen, mit kurzen Momenten der Schwerelosigkeit. Sicherlich, eigentlich nicht schlecht… wenn man nicht seekrank ist und am liebsten einfach nur anhalten und „rechts ran“ fahren möchte.
Wie gesagt, hatten wir wenigstens uns und konnten uns, wenn wir beide wach waren unterhalten. Sonst wäre man sicher auch noch an Vereinsamung in den 9 Stunden gestorben. Man hatte auf jeden Fall mal wieder viel Zeit über alles nachzudenken, ohne das man sich mit Handy, Computer oder Buch abgelenkt hat. Man muss ja mal versuchen etwas positives aus der Tatsache zu ziehen…
Irgendwann wurden die Wellen weniger und die Drehzahl des Motors ging runter. Das war diesmal das sichere Zeichen: Wir waren angekommen! Gegen 14 Uhr nach 11 Stunden Hölle, waren wir im Paradies angekommen, denn so präsentierte sich Anholt. Es war sonnig und warm und es wehte nur eine leichte Brise. Hätte man sich nicht gefühlt, als hätte man die ganze Nacht durchgezecht und es mit dem Alkohol arg übertrieben, hätte man es sicher noch mehr genießen können, aber auch so war es sehr schön.
Axel und ich sind erst mal wieder unseren typischen Gang angetreten und haben die Hafengebühr bezahlt, damit wir Landstrom auf dem Boot bekamen. Dann haben wir uns Brötchen geschmiert und sind dann zum Strand, der einfach nur zum Baden einlud. Das Wasser war zwar eisig, aber einfach perfekt nach so einer Fahrt. Sogar Axel, der ja ein ausgewiesener Frostköttel ist, konnte sich dazu hinreißen lassen bis zu den Knien ins Wasser zu gehen. Für den nach 9 Stunden Liegen und Seekrankheit am Boden liegenden Kreislauf war das genau das Richtige. Und die warme Dusche danach brachte die restlichen Lebensgeister zurück.
Anschließend, nachdem man sich fast wieder wie ein Mensch fühlte, haben wir einen kleinen Spaziergang über Anholt unternommen und den Ausblick genossen. Da bereits Nebensaison ist, ist es sehr leer auf der Insel. Was wir aber eher angenehm finden. Wir haben uns dann noch ein bisschen in die Dünen gelegt, dort war die Sonne angenehm warm und man war etwas Windgeschützt, so dass wir noch ein kleines Nickerchen gemacht haben, bis es an der Zeit war das Abend essen vorzubereiten. Heute sollte gegrillt werden, was man auf Anholt ganz vorzüglich kann, da der Hafen Gasgrills zur Verfügung stellt. (einschließlich kostenlosem Gas!). So saßen wir dann bis Abends und haben den Tag ausklingen lassen.
Nachdem neben Axel und mir auch Dirk, Johannes, Peggy und Werner seekrank waren (oder andersherum: nur unser Skipper und Romana, die die meiste Zeit am Steuer stand, waren alle seekrank), haben wir uns entschieden einen möglichst kurzen und einfach Schlag weg von Anholt machen zu wollen. Da Anholt aber mitten im Kattegat liegt, maximal entfernt von allen Küsten, fiel die Wahl auf Grenaa als nächstes Ziel. Das sind dann ca. 30 sm bei zwar deutlich weniger Wind (3 – 4 Windstärken sind angesagt), aber durch die Windrichtung war davon auszugehen, dass wir wieder Wellen von „schräg hinten“ haben werden, was alles andere als gut für Seekrankheit ist. Da aber auch täglich eine Fähre zwischen Anholt und Grenaa pendelt, haben Axel und ich beschlossen unseren flauen Mägen etwas gutes zu tun und auf einen Segeltag zu verzíchten. Im Internet kauften wir uns also 2 Tickets für zusammen 5,52€. Die Fähre soll am nächsten morgen um 8 Uhr oder 9 Uhr ablegen, da sind wir uns bzw. das Internet sich, nicht so ganz sicher. Also werden wir wieder um 7 Uhr aufstehen und dann zusehen das wir um 8 Uhr am Fähranleger sind. Frühstücken werden wir dann auf der Fähre und den Tag in Grenaa verbringen und auf die anderen warten. Hier noch ein paar Eindrücke von Anholt!